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Erich Fried

Es ist schon einige Jahre (Jahrzehnte???) her als ich das allererste mal über ein Gedicht von Erich Fried gestolpert bin. Welches es war... ich kann mich nicht mehr daran erinnern

Geblieben ist  jedoch die Faszination zu seinen Werken. Es kam und kommt immer noch vor, dass ich Worte und Sätze hin und her drehe und keine Ordnung darin finde- nur um bald darauf ein Gedicht von Fried zu lesen und: DA steht es. Genau das was ich meinte.

Und manchmal... wenn mir selbst die Worte fehlen, dann bediene ich mich den Worten von Fried. Diese Seite ist eine Hommage an einen Dichter welcher mir und vielen anderen sehr viel bedeutet.

Es ist mir ein besonderes Vergnügen gewesen, seine Gedichte mit Bildern von mir zu versehen. 

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eine kleine Biographie zu Erich Fried - nicht sehr vollständig, 
aber ein kleiner Überblick

Geboren am 6.Mai 1921 als Sohn jüdischer Eltern in Wien. Dort besuchte er die Schule bis zum Gymnasium. Noch während der Schulzeit wurde er zum Widerstandskämpfer. 
Nachdem sein Vater von der Gestapo getötet wurde wechselte er den Wohnsitz und zog nach London. Dort verarbeitete er unter anderem seine Wut und sein Unverständnis auf die deutsche Politik schon in Gedichten, in welchen ganz klar Kritik heraus zu hören war.

Nach dem Krieg arbeitete er kurzfristig bei BBC, um dort die deutschsprachigen Sender zu kommentieren. 

In Folge machte er sich einen Namen durch die Übersetzung von Shakespeares Werken und seinen ersten Gedichtbänden, sowie einem Roman (ein Soldat und ein Mädchen).

Immer wieder jedoch geriet er ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit, da er recht unverblümt seine Meinung kund tat- welche nicht immer das widerspiegelte was Politik und gehobener Gesellschaft recht wäre.

Erst kurz vor seinem Tode wurde ihm die Anerkennung zuteil, welche er verdiente. So wurde ihm im Jahre 1986 von der Universität Osnabrück der Ehrendoktortitel verliehen und1989 wurde in Wien die "Internationale Erich Fried Gesellschaft für Literatur und Sprache" gegründet.

Nach langer und schwerer Krankheit verstarb er am 22 November 1988 angeblich in London, und wurde dort auch begraben. Angeblich... weil- ich habe auch schon Berichte gelesen, wonach er in Baden-Baden seine Ruhe gefunden haben soll.

Wer Interesse hat an weiterführender Literatur, 
unter:
http://www.erichfried.de/lebenslauf.htm findet sich eine großartige Biographie!

Und nun... zurücklehnen... und einfach wirken lassen. Nicht schnell überlesen, sondern fühlen.

Denn wie sagte doch schon der kleine Prinz: 

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar
Man sieht nur mit dem Herzen gut

Mit dem Gedicht. "Fügungen" möchte ich starten. Und ich schmunzle beim Lesen....
Meine lieben Leser da draußen.... ich weiß GENAU was er  meint ...

(ach... eigentlich weiß ichs bei allen..)

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Fügungen

Es heißt
ein Dichter
ist einer
der Worte
zusammenfügt

Das stimmt nicht

Ein Dichter
ist einer
den Worte
noch halbwegs
zusammenfügen

wenn er Glück hat

Wenn er Unglück hat
reißen die Worte
ihn auseinander

 

 

Bild, Soldatengrab

 

 

Antwort

Zu den Steinen hat einer gesagt:
seid menschlich

Die Steine haben gesagt:
Wir sind noch nicht hart genug

 

 

 

Bedingung

Wenn es Sinn hätte
zu leben
hätte es Sinn
zu leben

Wenn es Sinn hätte
noch zu hoffen
hätte es Sinn
noch zu hoffen

Wenn es Sinn hätte
sterben zu wollen
hätte es Sinn
sterben zu wollen

Fast alles hätte Sinn
wenn es Sinn hätte

Bild, Löwenzahn

 

 

 

Bei dir sein wollen

Bei dir sein wollen
mitten aus dem was man tut
weg sein wollen
bei dir verschwunden sein
nichts als bei dir
näher als Hand an Hand
enger als Mund an Mund
bei dir sein wollen
in dir zärtlich zu dir sein
dich küssen von aussen
und dich streicheln von innen
so und so und auch anders
und dich einatmen wollen
immer nur einatmen wollen
tiefer, tiefer
und ohne Ausatmen trinken
aber zwischendurch Abstand suchen
um dich sehen zu können
aus ein zwei Handbreit Entfernung
und dann dich weiter küssen

 

 

Dich

Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist

Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter

Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist

 

Bild, Lebensclown

Bild, Rose 

 

es ist was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft.
Es ist was es ist
sagt die Liebe.

Es ist Unglück
sagt die Berechnung.
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst.
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht.
Es ist was es ist
sagt die Liebe.

Es ist lächerlich
sagt der Stolz.
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht.
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung.
Es ist was es ist
sagt die Liebe.

 

 

Frau Welt

Ich bin
zur Welt gekommen
und bin nun endlich
so weit
laut zu fragen
wie ich dazukomme
zu ihr zu kommen

Sie kommt
und sagt leise:
Du kommst nicht
du bist schon im Gehen

Freiraum

Jedes Mal
wenn ich jetzt an dich denke
entsteht in meinem Kopf
ein freier Raum
eine Art Vorraum zu dir
in dem sonst nichts ist
Ich stelle fest
Am Ende jedes Tages
dass viel mehr freier Raum
in meinem Kopf
übriggewesen sein muss
Als ich sonst glaubte

 

 

Bild, Abbild

 

 

Wenn ich an deinen Mund denke
wie du mir etwas erzählst
dann denke ich
an deine Worte
und an deine Gedanken
und an des Ausdruck
deiner Augen
beim Sprechen

Aber wenn ich an deinen Mund denke
wie er an meinem Mund liegt
dann denke ich
an deinen Mund
und an deinen Mund
und an deinen Mund
und an deinen Schoß
und an deine Augen

 

 

Nachtgedicht

Dich bedecken
nicht mit Küssen
nur einfach
mit Deiner Decke
(die Dir von der Schulter geglitten ist)
daß Du
im Schlaf nicht frierst

Später
wenn Du
erwacht bist
das Fenster zumachen
und Dich umarmen
und Dich bedecken
mit Küssen
und Dich
entdecken

Bild, Vollmond
Bild, Einsamer Spieler    

 

Trennung

Der erste Tag war leicht
der zweite Tag war schwerer
Der dritte Tag war schwerer als der zweite

Von Tag zu Tag schwerer:
Der siebente Tag war so schwer
dass es schien es sei nicht zu ertragen

Nach diesem siebenten Tag
sehne ich mich
schon zurück

 

 

Was

Was bist du mir?
Was sind mir deine Finger
und was deine Lippen?
Was ist mir der Klang deiner Stimme?
Was ist mir dein Geruch
vor unserer Umarmung
und dein Duft
in unserer Umarmung
und nach ihr?

Was bist du mir?
Was bin ich dir?
Was bin ich?

Bild, Gegenlicht

Zum Beispiel

Manches
kann lächerlich sein
zum Beispiel
mein Telefon
zu küssen wenn ich
deine Stimme
in ihm gehört habe
Noch lächerlicher
und trauriger
wäre es
mein Telefon
nicht zu küssen
wenn ich nicht dich
küssen kann

 

 

Ein Versuch

Ich habe versucht
zu versuchen
während ich arbeiten muss
an meine Arbeit zu denken
und nicht an dich
Und ich bin glücklich
dass der Versuch
nicht geglückt ist

 

Erschwerung

Dich nur einmal sehen
und dann nie wieder
muss leichter sein
als dich noch einmal sehen
und dann nie wieder sehen
Dich noch einmal sehen
und dann nie wieder
muss leichter sein
als dich noch zweimal
und dann nie wieder sehen
Dich noch zweimal sehen
und dann nie wieder
muss leichter sein als dich noch dreimal
und dann nie wieder sehen
Aber ich bin dumm
und will dich noch viele Male
sehen
bevor ich dich
nie wieder sehen kann

 

Inschrift

Sag
in was
schneide ich
deinen Namen?
In den Himmel?
Der ist zu hoch
In die Wolken?
Die sind zu flüchtig
In den Baum
der gefällt und verbrannt wird?
Ins Wasser
das alles fortschwemmt?
In die Erde
die man zertritt
und in der nur
die Toten liegen?
Sag
in was
schneide ich
deinen Namen?
In mich
und in mich
und immer tiefer
in mich

 

 

 

 

 

 

Bild, Feder

 

 

 

 

Nur nicht

Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte

Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung

Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet

Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben

 

 

Bild, Schuttern am See

 

Wintergarten

Deinen Briefumschlag
mit den zwei gelben und roten Marken
habe ich eingepflanzt
in den Blumentopf
Ich will ihn
täglich begießen
dann wachsen mir
deine Briefe
Schöne
und traurige Briefe
und Briefe
die nach dir riechen
Ich hätte das
früher tun sollen
nicht erst
so spät im Jahr

 

Bild, Straßbourg  

Meine Wahl

Gesetzt ich verliere dich
und habe dann zu entscheiden
ob ich dich noch ein Mal sehe
und ich weiß:
Das nächste Mal
bringst du mir zehnmal mehr Unglück
und zehnmal weniger Glück
Was würde ich wählen?
Ich wäre sinnlos vor Glück
dich wiederzusehe

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©Martina Walz
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